Mythen
Woher? Wohin? – Mythen, Nation, Identitäten - ein Projekt des Goethe-Instituts, des Ensemble Modern und der BHF-Bank StiftungKultur und nationale Identität: zwei Themenfelder, die eng miteinander verbunden sind. Unumstritten leistet die Sprache ein identitätsstiftendes Merkmal einer Nation, doch leistet auch die Kunst und insbesondere die Musik einen Beitrag zur Identitätsfindung einer Nation?
Musik hat in den mittelosteuropäischen Gesellschaften in der Vergangenheit oft eine wichtige Rolle bei der Entwicklung oder Behauptung von nationaler Identität gespielt: Man denke nur an die Bedeutung von Komponisten wie Bedřich Smetana für die tschechische Nationalbewegung oder an die Rolle der ›Sängerbewegung‹ in den baltischen Gebieten bei der Überwindung der sowjetischen Herrschaft vor 1990. In den mittelosteuropäischen Transformationsgesellschaften sind der Euphorie der frühen 1990er Jahre aufgrund der Erfahrungen mit globalisierten Marktwirtschaft oder der EU-Integration mancherorts Ernüchterung gefolgt; die komplexen Prozesse von nationaler Identitätsbehauptung in den nach 1990 neu oder wieder entstandenen Nationalstaaten kommen nicht ohne die ›Erfindung von Traditionen‹, der Beschwörung von ›imaginären Gemeinschaften‹ oder den Rückgriff auf tradierte oder konstruierte ›Mythen‹ aus: Dabei kommt es in den historisch zumeist durch kulturelle Heterogenität geprägten Ländern auch zu Ausgrenzungen von Minderheiten.
An diese Problematik knüpft das mehrstufige Projekt ›Woher? Wohin? – Mythen, Nation, Identitäten‹ an, das vom Goethe-Institut (Mittelosteuropa) initiiert und gemeinsam mit dem Ensemble Modern und Unterstützung der BHF-BANK-Stiftung realisiert wurde. In einem mehrstufigen Prozess wurden 28 junge Komponisten und Komponistinnen aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Tschechischen Republik, Ungarn, Slowenien und der Slowakei auf Empfehlung von prominenten Kennern der jeweiligen Musikszene ausgewählt und zu einem Workshop im Mai 2011 zum Ensemble Modern nach Frankfurt eingeladen. Ein voller Probenplan mit den Musikern des Ensemble Modern unter der Leitung von Peter Eötvös, in dem jedem eingeladenen Komponisten die Gelegenheit gegeben wurde, sich mit einem schon existierenden Werk vorzustellen, wurde ergänzt durch Referate und Diskussionen zum Beziehungsgepflecht von ›Nation, Mythen und Identiäten‹ in den Ländern Mittelosteuropas. Die daraufhin von den Komponisten in einem Bewerbungsverfahren eingereichten individuellen Projektskizzen wurden Grundlage für eine Juryauswahl und führten zur Vergabe von acht Kompositionsaufträgen.
Die Mitglieder des Ensemble Modern ließen es bei aller Konzentration gut gelaunt brutzeln, plätschern, dampfen und stampfen, bis schließlich der Posaunist Uwe Dirksen im verdauenden Nachgang die ästhetische Kategorie des Flatoletts installierte.Frankfurter Allgemeine Zeitung, Benedikt Stegemann