Re-inventing Smetak

Walter Smetak (1913–1984) gehört zu den vergessenen Figuren der europäischen Musikgeschichte. 1937 emigrierte er nach Brasilien und verlor dort auf äußerst inspirierende Weise seine westliche Identität. Aus dem Schweizer Orchestermusiker und Komponisten wurde ein Künstler, der eine Vielzahl von Einflüssen zu einem faszinierenden Lebenswerk verknüpfte – getrieben von der Suche nach Kollektivität, innerer Transformation, Freiheit und Spiritualität. Als Musiker, Dichter, Bildhauer und Instrumentenerfinder war Smetak ein Vorreiter der Brasilianischen Gegenkultur und übte Einfluss auf die Tropicália-Bewegung ebenso aus wie auf die experimentelle Musikszene Brasiliens. Seine »Klangplastiken« umfassen konventionell zu spielende Streichinstrumente ebenso wie visuell, mit symbolischer Bedeutung aufgeladene Kunstobjekte. Nach Jahrzehnten des Vergessens erwecken das Ensemble Modern, das Berliner Künstlerprogramm des DAAD und das Goethe-Institut diese experimentellen Klangerzeuger nun zum Leben.

›Re-inventing Smetak‹ ist das Ergebnis einer eingehenden Beschäftigung von vier Komponisten mit der synkretischen Welt des Musikerfinders und Grenzgängers Walter Smetaks. Die dabei entstandenen Auftragskompositionen greifen unterschiedliche Aspekte seiner Arbeit auf: seine als Befreiungsakt von den Normen tonaler Systeme konzipierte Mikrotonalität, seine kollektiven Improvisationspraktiken, seine experimentellen Instrumente und »Klangplastiken« und ihre spirituelle Bedeutung.

Paulo Rios Filho, hat in Salvador studiert und ist mit dem kulturellen Biotop der Stadt, der Wahlheimat Smetaks, vertraut. An den Instrumenten interessieren ihn vor allem der Charakter des Undomestizierten und die Abwesenheit von Raffinesse. Für den aus Rio stammenden, in New York lebenden Arthur Kampela ist Smetak eine begeisternde Legendengestalt. Die Instrumente, sagt er, stellen alles Sichere in Frage, sind keiner Tradition verpflichtet und lassen deshalb für den Komponisten alle Möglichkeiten offen. Der in Deutschland lebende Daniel Moreira ist fasziniert von den Bewegungsmustern der Instrumente, die er als mehrdeutige, geheimnisvolle Objekte wahrnimmt. Mit den Mitteln des Videos will er diese Unschärfen einfangen und dadurch überhaupt erst ein klares Bild von ihnen bekommen – eines von vielen möglichen. Liza Lim wiederum tauchte während ihres Aufenthalts in der Vila Sul des Goethe-Instituts in Salvador tief in die multikulturelle Atmosphäre der Stadt ein. Sie sieht Analogien zwischen den sozialen Strukturen, wie sie im Kreistanz der Roda oder im rituellen ›Candomblé‹ herrschen, und den kreisförmigen Strukturen in Gestalt und Klang von Smetaks kinetischen Instrumenten.

Allen vier Uraufführungen tut gut, dass sie auf Smetaks Erbe verweisen, ohne es zu sehr zu adaptieren. An originären Ideen mangelt es darin jedenfalls nicht und ein Besuch lohnt sich.https://bachtrack.com, Stephan Eckel
Höhepunkt ist Moreiras audio-visuelles Werk „Instru­men­ta­rium“, welches in kafkaeske Klang­welten einzutauchen vermag. Besonders bei dieser Symbiose aus Musik und Video macht sich die Präzision des Ensemble Modern und die grandiose Leis­tung des Diri­genten Vimbayi Kaziboni bemerkbar.Offenbach Post, sk
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Re-inventing Smetak (Trailer mit Interviews)